Die größte Vorbereitung meines Lebens
Es begann alles mit einer Idee. Zwischen dem Bachelor und dem Master wollten wir unser bisher größtes Abenteuer erleben. Mit „wir“ meine ich mich und meinen guten Freund Jonas. Im Sommer 2021 kam uns im Urlaub die Idee zu dieser Reise – der Reise unseres Lebens. Kurz darauf begannen die Vorbereitungen. Zwar lagen noch zweieinhalb Jahre vor uns bis zur Abfahrt, aber dennoch: Wenn etwas gut funktionieren soll, braucht es Planung. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir nämlich noch nie länger als einen Tag am Stück auf dem Sattel gesessen. Jonas hatte nicht einmal ein fahrtaugliches Fahrrad. Unsere Ansätze waren unterschiedlich. Mir war es wichtig, möglichst gut vorbereitet zu sein, während Jonas die Zeit bis zur Abfahrt lieber mit seiner Freundin verbringen wollte. Unsere verschiedenen Herangehensweisen führten spätestens kurz nach der Abfahrt zu den ersten Herausforderungen. Aber der Reihe nach.
Welche Fahrräder nutzen wir? Wie viel Gepäck? Welches Equipment braucht man für vier Jahreszeiten, und welche Route nehmen wir? Und das Wichtigste: Was kostet das Ganze am Ende? Ich hatte tausend Fragen und noch mehr, aber über zwei Jahre Zeit, um sie zu beantworten. Also versuchte ich, nach und manchmal auch während der Uni alles über das Thema Bikepacking zu lernen. Mein Anspruch war es, ein Profi zu werden – zumindest in der Theorie. Schnell wurde mir klar, dass ich keine eigenen Erfahrungen haben musste, denn das Wissen anderer stand mir zur Verfügung. Also konsumierte ich nahezu alles, was es im Internet zu diesem Thema gab. Ich las stundenlang Blogs und schaute mir so ziemlich alle Videos und Filme zu Radreisen an, die im deutschsprachigen Raum verfügbar waren.
Das Ergebnis war, dass mir eines schnell klar wurde: Ich wollte nicht auf einem langsamen, überladenen Fahrrad durch die Welt fahren. Ich mag es minimalistisch. Von meinen ausgiebigen Mehrtageswanderungen wusste ich, dass es mir nichts ausmacht, auf Komfort zu verzichten. Letztendlich entschied ich mich daher für ein Gravelbike mit Bikepacking-Taschen. Die Vorteile lagen auf der Hand: weniger Gewicht, weniger Luftwiderstand und ein deutlich schnelleres Fahrrad. Bisher hatte ich zwar noch niemanden gesehen, der mit so reduzierter Ausrüstung eine so lange Strecke bewältigte, aber Herausforderungen waren schon immer etwas, bei dem ich einfach nicht nein sagen konnte. Mit der Zeit fand ich heraus, dass es speziell für diese Art des Radreisens Rennen wie die Tour Divide in Nordamerika oder die European Divide gibt. Dass echte Radprofis ebenfalls auf diese Weise enorme Strecken bewältigten, gab mir den Mut, es selbst zu versuchen.
Meine erste Bikepacking-Tour unternahm ich dann im Sommer 2022 mit meinem treuen Gravelbike und Dry-Bags, die ich mit Spanngurten und selbstgebauten Halterungen an meinem Fahrrad befestigte. Drei Tage später hatte ich bereits eine Ahnung, was auf mich zukommen würde. Übrigens ist das Fahrrad samt Taschen auf dem Titelbild dieses Blogeintrags zu sehen.
Am Ende der Vorbereitungen kannte ich gefühlt jedes Ausrüstungsteil auswendig und stellte mir Stück für Stück meine Packliste zusammen. Mit der Zeit versuchte ich, alles zu besorgen, und manchmal war mein Zimmer so voll mit Equipment, dass ich den Boden nicht mehr sehen konnte. Manchmal bestellte ich zwei scheinbar identische Artikel, nur um dann festzustellen, dass es einen kleinen, aber wichtigen Unterschied gab. Am Ende hatten wir dann eine Ausrüstung, der ich zu 100 % vertraute und die den extremen Belastungen standhalten würde – zumindest was die Ausstattung betraf.
Mitte 2023 hatte ich dann alles beisammen. Genug Geld konnte ich im letzten halben Jahr nach meinem Abschluss in einer VIOG in Gießen zusammensparen. Der Abschied fiel mir schwer, doch ich konnte mich auf etwas freuen: Parallel hatte ich mit Freunden eine dreimonatige Südamerika-Reise geplant, die unmittelbar bevorstand.
Als ich am 3. Dezember 2023 wieder in Deutschland ankam, blieben mir noch genau zwei Monate bis zur Abfahrt. Letzte Vorbereitungen, vor allem körperlicher Natur, standen auf dem Plan. In der Vergangenheit hatte ich aufgrund älterer Verletzungen immer wieder Probleme mit meinen Knien. Um diesen vorzubeugen, nutzte ich die verbleibende Zeit, um meinen Körper auf die bevorstehende Extrembelastung vorzubereiten. Währenddessen hatte ich noch einige Termine und versuchte, die Zeit so gut wie möglich mit Freunden und Familie zu verbringen.
Die Zeit verging rasch und da saß ich nun, einen Abend vor der Abfahrt, spontan mit meinen besten Freunden und einem Bier in der Hand auf dem Sofa bei Thomas. Natürlich hatte ich Tränen in den Augen. Nicht, weil ich Angst vor der Tour hatte, sondern weil ich wusste, wie sehr ich all das vermissen würde.
Aber zum Glück würde ich ja nicht alleine fahren.